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BMM

Maria Brigitte Mayer

The End

of the Icon

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E.M: Brigitte Du bist in Regensburg geboren, Du lebst aber seit ca. dreißig Jahren in der Hauptstadt. Dein Werk, so ausgezeichnet und voller Körper-Archetypen, stellt den Mensch auf einer bestimmten Tonalität dar, wo die Suche nach Identität sehr zentral ist, eine Suche die uns erlaubt, den Kontext der Modernität zu verstehen, auch durch einen Blick in das was vergangen ist. Religion, Ethnologie ( eher  Mythos )   und  Sexualität  sind  drei  Elemente  die   Deine  Arbeit

dominieren, Elemente die sich auch nach der Inklusion von Filmen, die Du ja seit ein paar Jahren erschaffen hast, nicht trennen lassen. Die Körperinszenierungen deiner Arbeit haben eine majestätische Art und bringen eine charakteristische apokalyptische Atmosphäre herbei. Du kreierst also einen Raum, in dem du fundamentale Fragen stellst.  Brigitte, handelt es sich um eine dramatische Begabung, ich meine wo kommt diese Energie her, das Interesse, wenn du ein Werk erschaffen möchtest?

BMM: 

Meine Arbeit ist meine Lebensberechtigung, so einfach! Mein Vater starb sehr früh und was er mir hinterließ oder besser was keiner haben wollte, von dem bisschen was er in seinem Schrank an Sachen hatte, war die eine Kamera. Er hat immer viel fotografiert, die Familie, Landschaften. Ich habe mir diese Kamera genommen und mir selber das Fotografieren beigebracht. 

Wenn man eine Kirche baut, hofft man, dass Gott reinkommt, in dem man für seine Anwesenheit und für dieses Göttliche etwas baut, so war für mich diese Kamera. Der Ausschnitt im Sucher war für mich dieser Raum. Ich hatte nicht die Fähigkeit die Welt einzuteilen, mir den nötigen Abstand dazu zu geben. Die Kamera hat mir durch den Ausschnitt die Möglichkeit gegeben den Abstand herzustellen.Schon als Kind hatte ich das Gefühl, in einer Welt zu sein die mir nicht besonders viel gibt, der ich nicht zugehörig bin, die mir zu eng, zu unwirklich war, fremd. Ich bin aufgewachsen am Rande von Regensburg, überall Hochhäuser. Es gab dort in Regensburg aber auch  viele Barockkirchen, es gibt den großen Dom. Und wenn mein Vater und ich die Schlösser vom König Ludwig besucht haben, gefiel mir der Impetus der Größe und der Impetus der Inszenierung. Das man Räume baut für das Göttliche. Für etwas anderes, als die Gegenwart. Für Gestern, Heute und Morgen. 

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Die Räume, die ich im Studio baue sind auch eine Art Tempel. Meist einfache Grundräume in verschiedenen Farben und Stofflichkeiten, gerade ist es ein Raum aus Blattgold, in dem ich die Johannesapokalypse inszeniere. Das Licht darin spielt für mich eine große Rolle, die Atmosphäre. Meist denke ich über die Motive Monate nach, hoffe auf Inspiration und Fügung. Dann beginne ich mit dem Cast. Beim Cast suche ich immer nach archetypischen Gesichtern. Es gibt ja Menschen die siehst du, und dann denkst du, dieses Gesicht ist aus einem Bild von Dürer oder Caravaggio oder so. Zeitlose Gesichter oder Gesichter die ich transferieren kann. Beim Fotografieren im Studio versuche ich möglichst alles selbst zu machen. Beim Filmen muss ich abgeben, Film ist eine Teamarbeit. Deshalb zeichne ich dann eben minuziös jedes Bild vor.

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BMM. DER TOD IST EIN IRRTUM Videostill

E.M: Was hat Dich in die bildende Kunst geführt, gab es da ein trigger, einen Punkt wo du einfach wusstest „das ist was ich machen will“, eine Motivation, einen Ursprung.

 

BMM: Seit ich zwölf oder dreizehn bin, wollte ich nie was anderes machen, also die Idee wäre mir gar nicht bekommen irgendwas anderes zu machen als Bilder und mich darin auszudrücken. 

Wenn man als Kind sehr früh sehr intensive Erlebnisse hatte, Tod und Krankheit zb., oder wenn man zu früh Überwältigung erfahren hat, dann suchst du immer wieder diese Intensität, alles andere interessiert, berührt dich nicht. Das kannst du natürlich über Drogen herstellen. Ich will durch Bilder überwältigen.. 

Ich finde unsere westlich säkularisierte Welt zwar sicher und praktisch, ich glaube aber, dass es eben auch ein Bedürfnis nach Größe und tieferer Intensität, nach dem Sakralen gibt. Diese Erfahrung ist nicht nur mit Glück und Euphorie verbunden sondern vorrangig mit Schmerz. Wir leben aber in einer Gesellschaft der Schmerzvermeidung, die Tod, Krankheit und Armut im täglichen Leben ausgrenzt. Bei Obdachlosen entsteht zb. eine Form der Schizophrenie, weil wir sie einfach missachten und ihre Existenz negieren.

Dabei sind Trauma und Schmerz Hauptbestandteile unserer Kultur, sowohl der antiken Mythen, als auch der christlichen Religion. Aphrodite ist geboren aus den abgehackten Geschlechtsteilen ihres Vaters, geboren aus Blut und Sperma, Jesus wurde gefoltert und geschändet durch den Kreuzestod. Aus diesen grausamen Mythen ist dann mit die schönste Kunst entstanden. 

Man muss immer über irgendeine Grenze drüber, Grenzerfahrungen machen, sonst bleiben wir alle in einer Kindheitsphase verhaftet. Wir haben ganz viele Menschen, die emotional Kinder geblieben sind, weil extreme Erfahrungen von vielen gar nicht mehr gemacht werden.

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E.M: Deine Inszenierungen berühren die Zeit der Renaissance in einer sehr dynamischen Weise und in Kombination mit wichtigen Aspekten des Modernismus, da spielt das Kostüm eine wichtige Rolle. Wie sind da Deine Tendenzen, deine Visionen?

 

BMM: Für jede Arbeit gucke ich mir Moden und Designern verschiedener Epochen an, recherchiere traditionelle Kleidung, Uniformen. Mich interessiert wann bestimmte Kleidungsstücke zu Ikonen werden, zb. die Jeans, die Bomberjacke, die Trainingshose, der Hijab. Diese Ikonen versuche ich dann zu modifizieren, manieristisch zu überhöhen oder durch andere Stofflichkeit zu verfremden. Farben spielen dabei eine wichtige Rolle als Zitat, da greife ich dann oft auf die Malerei zurück. Besonders wichtig sind mir die Schnitte, das Model/der Schauspieler kann toll aussehen, aber wenn der Schnitt des Kostüms nicht stimmt, da kannst du alles vergessen.

Ich liebe Mode. Ich würde viel lieber zu Modenschauen eingeladen werden als zu Ausstellungseröffnungen. Die völlige Überhöhung des absolut Nutzlosen reizt mich.

Ich überästhetisiere ja auch gern. Schönheit ist für mich schön, wenn sie in irgendeiner Form mit Gewalt, mit dem Archaischen verbunden ist. Sonst ist es einfach nur Oberfläche. Es braucht den Gegensatz, das macht die Höhe, das Pathos.

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BMM. MODELS BRD videostill

E.M: Berlin. Gibt es da Sozialeinschränkungen bwz. sind wir in einer Gesellschaft wo sich Künstler ein offenes Leben erlauben, oder gibt es da eher historischen Konditionierungen wie das Phänomen keine Zugehörigkeit zu haben, man spricht über eine Mangel an Sozialbindungen, über sehr selbstzentrierten Sphären und insgesamt über eine drastische Veränderung des Stadtcharakters im Lauf der letzen Jahren. Hat das irgendeine Wirkung auf dein Werk, in deiner Choreographie, in der Inszenierung?

 

BMM: Ich bin nach Berlin gekommen, weil ich mich in eine Frau hier verliebt hatte und bin geblieben, weil ich mich nirgendwo anders freier gefühlt habe. Weil ich hier nicht mehr aufgefallen bin, also in positivem Sinn; wie ich mich angezogen habe, wie ich bin, was ich tue, wie ich liebe.

Es gab ganz viele Gleichgesinnte. Viel Inspiration. Ich kam genau mit dem Fall der Mauer und das war schon einfach eine irre Zeit. Verrückt und intensiv. Man kaufte auf Flohmärkten oder in Second Hand- Läden Kilos von Kleidern und teuer war ja hier nicht angesagt. Es war angesagt das Billige gut zu kombinieren und jede Nacht mit neuem Outfit in eine neue Location zu stolpern. Günstige Lofts zum Arbeiten und Wohnen gab es an jeder Ecke zu mieten.

Mich hat immer und vor allen die Intensität, die Unruhe, der Energielevel der Stadt interessiert, und wie gesagt, es war bezahlbar, war. Also in jeder Art und Weise. Jetzt ist das vorbei. Auch mir wurde meine Atelierwohnung nach dreißig Jahren gekündigt, um es danach für ein mehrfaches zu vermieten. Und natürlich überlege ich, ob ich überhaupt hier bleibe. Also es ändert sich auf jeden Fall ganz viel. Aber es gibt immer einen Ausweg. Und nicht umsonst arbeite ich gerade an der „Offenbarung“.

Und ich finde das was Kunst ausmacht ist eben nicht Moral sondern Form und Poesie. 

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Brigitte was sagst du zu...

das allerwichtigste:  

BMM: Liebe 

 

dein Lieblings Wort:

BMM: Der Name der Frau, die ich liebe.

 

die Zukunft:

BMM: muss man sich immer wieder erkämpfen

 

die Schönheit und Fashion:

BMM: ohne Schönheit geht gar nichts. Stil und Form sind mir wichtig.

 

die größte Angst: 

BMM: Verlustangst

 

dein Lieblings Objekt auf der Welt:

BMM: Ich

 

Gewalt und Politik:

BMM: Flucht und Heimat

 

der schwierigste Teil:

BMM: Der schwierigste Teil jeder Arbeit sind immer die letzten drei Prozent. Alles lässt sich mit der Anfangsenergie gut stemmen und bis es perfekt ist… also Perfektion ist der schwierigste Teil.

 

Arbeit und Besessenheit:

BMM: Geht nicht ohne

 

 

Europa:

BMM:  Europa ist für  mich wichtig geworden als ich Europa für fast sieben Jahre verlassen habe. Da habe ich angefangen mich in Europa zu verlieben. Wenn vielleicht auch in ein altes Europa, ja.

 

Träume:

BMM: Sind wichtig, man träumt Angst ab, man träumt viel von den was man tagsüber nicht verarbeiten kann. 

 

Alpträume:

BMM: Oft. Wiederkehrende. Wiederkehrende Alpträume lebendig begraben zu sein. Todesangst versehentlich Menschen Gewalt anzutun. Also von Schuld eigentlich.  

E.M: In den letzten Jahren hat sich deine Karriere als Filmemacherin verstärkt. Wie ist das entstanden Brigitte?

 

BMM: Ich hatte plötzlich keine Lust mehr auf Fotos. Ich hatte das Gefühl, dass ich an  einem Endpunkt mit der Inszenierung im Studio bin. Und ich war auch thematisch am Endpunkt hier in Deutschland und an einem Endpunkt thematisch in Europa.  Also vor zehn Jahren in etwa, zur gleichen Zeit als meine Tochter unbedingt ins Internat wollte. Dann habe ich gedacht ich muss reisen. Und dann habe ich gedacht, ich brauche eine Arbeit zum Reisen. Zufällig war ich dann in Würzburg, in der Residenz und da war dieses Deckenfresko von Tiepolo, mit den vier Kontinenten, alles idealisiert, anmutig, keine Armut zu sehen, alles gruppiert um das christliche Europa, alles vor dem Zerfall durch die Kolonisierung. 

Dann habe ich gedacht, ich will den Fall beschreiben, die Kehrseite der Moderne, und es braucht noch einen modernen Text den Fall zu beschreiben, von diesen Großreichen, und das war eben der Text von Annas Vater „Anatomie Titus. Fall of Rome“ Die Shakepeare Adaptation. Mit der bin ich los gereist. 

dein größtes Abenteuer:

BMM:  Die Geburt meiner Tochter.

 

dein Lieblings Kostüm:

BMM: Das Kostüm von Donald Duck, die Kostümidee, wo niemand die Hose vermisst.

 

 

der beste Tag:

BMM: An dem ich aus Regensburg weggegangen bin. 

Emanzipation:

BMM: Ich bin mir inzwischen sicher, dass Emanzipation erst dann verwirklicht ist, wenn das Patriarchat gänzlich abgeschafft ist. 

 

Freiheit:

BMM: Ich bin der freieste Mensch den ich kenne.

 

Sex:

BMM: Schamlos und frei 

 

Gott:

BMM: Gott ist ein Raum.

 

Was fehlt auf der Welt.

BMM: Gerechtigkeit und Empathie. 

 

Was ist zu viel?

BMM: Kälte. 

 

Industrie

BMM: Ich denke dann an Frauen in Bangkok, die 30 Jahre lang die Schulternaht eines T-Shirts nähen und wir es dann für 3 Euro bei H & M kaufen.

 

Wo ist Brigitte Maria Mayer in den nächsten Jahren? 

BMM: in einem neuen Lebensraum.

 

Für beginnenden Künstler

BMM: Selbstbewusst auf den Instinkt hören

 

Brigitte Maria Mayers Statement, gibt es das?

BMM: Mottos, das ist etwas fürs Finanzamt.

Interview by Paul Glavinski
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